Single Börse Kapitel 41







Verschlossen


Es waren schon wieder zwei Wochen ins Land gezogen,
Caro tobte mittlerweile wieder durch den Garten,
und kein Lebenszeichen von Manu.
Weder über den Chat noch über die Singlebörse konnte ich Sie
erreichen.
Hatte sie keine Zeit ?
Lies es vielleicht ihre Arbeit nicht zu ?
Vielleicht musste Sie ja häufiger Berufsbedingt verreisen.
Ich wusste es nicht und hatte eigentlich auch noch nie danach
gefragt.
Genau, jetzt fiel es mir auf, was so anders war an unseren
Kontakten..
Während ich andere mit denen ich in Kontakt trat,
spätestens nach dem dritten oder vierten Kontakt nach ihren
Hobbies, ihrer Lieblingsmusik und so weiter befragte,
unterhielt ich mich mit Manu ausschließlich über
philosophische Fragen.
Ich nahm mir vor, beim nächsten Treffen mehr über sie zu
erfahren.

Es klingelte.
War schon wieder Katalogzeit?
Nein.
Lars und Andreas standen vor der Tür.
(Ich hatte Andreas um Verzeihung gebeten und er war
einverstanden, so konnte die alte Freundschaftsbande wieder
aufleben.)

„Wie sieht es aus mit Dir, biste fertig?"

Ich hatte die Verabredung mit den beiden ganz vergessen.
Wir wollten heute Abend eine zünftigen Männerabend starten.

„Oh, Mist, kommt kurz rein, ich hatte Euch ganz vergessen.
Caro Du gehst auf Deinen Platz."

„Hallo Caro, na komm mal her, Lars hat ein Leckerchen für
Dich."

„Sollste doch nicht immer machen Lars, die wird mir sonst
noch zu dick.
Und das ist nicht gut für ihre Knochen.
Aber jetzt hat sie es ja schon gesehen, dann gib es ihr ruhig.
Bin in einer Sekunde wieder da.
Zieh mir nur eben ne frische Jeans an."

„Hau rein, Bier wird warm."

„Bin ja schon so gut wie fertig.
Aber erst mal trinken uns hier noch ein Bierchen,
zum Aufwärmen. Prostata."

Es wurde ein feuchtfröhlicher Abend.
Wir zogen los, von einer Wirtschaft in die Nächste.
Überall nur ein Glas Bier und weiter.
Lange Wege brauchten wir nie zurück zu legen.
Spätestens nach dreihundert Metern befand sich die nächste
Kneipe.
War es Kneipe vierzehn oder doch schon siebzehn?
Ich wusste es nicht mehr so genau, als einer von uns,
ich glaube ich war es selbst, auf die Idee kam, den
Seniorentanztreff im Gemeindehaus unseres Örtchens zu
besuchen.
Biggi hatte mir am Tag zuvor im Fitnessstudio davon erzählt.
Nüchtern hatte ich ihr noch gesagt, das ich Veranstaltungen
dieser Art nicht so prickelnd fand.
Aber Alkohol ändert oftmals alle guten Vorsätze.
Und so marschierten wir nun Richtung Tanztreff für die
gesetzte Generation.
Unser Erscheinen fand allgemeine Beachtung.
Unser aufrechter Gang und unser gepflegtes Erscheinungsbild
fiel jedem sofort ins Auge.
Erläuternd hierzu muss ich anmerken, das wir zwecks
Zeitersparnis den Weg durch die verschlammten Felder
gewählt hatten.
Nachdem sich die große Freude
(wie anders sollte sich sonst das Lachen in den Gesichtern der
Anwesenden deuten lassen?)
über unser Kommen gelegt hatte, nahm auch die Musik wieder
ihre Arbeit auf.
Und so alt schienen die hier anwesenden Damen und Herren
nun auch nicht zu sein.
Oder lag es vielleicht doch an den ungezählten
Kneipenbesuchen.
Egal.
Ich amüsierte mich an diesem Abend königlich.
Alles weibliche, was sich nicht rechtzeitig retten konnte,
forderte ich zum Tanzen auf. Erstaunlicherweise hielten sich
die Absagen in Grenzen.
Es war schon nach zwei Uhr morgens, als Lars zum Aufbruch
mahnte. Anja hatte versprochen Lars abzuholen und Andreas
nach Hause zu bringen.
Er rief sie vom Handy aus an und sie versprach in einer halben
Stunde da zu sein.
Da wir ohnehin die letzten Gäste waren und die Musik schon
vor einer Stunde mit Spielen aufgehört hatte, war es mir auch
recht.
Anja kam pünktlich und brachte zuerst mich nach Hause.
Ich winkte Ihnen hinterher, bis die Rücklichter ihres Wagens in
der Dunkelheit verschwanden.

So ein schöner Abend.
Schlüssel raus, und dann rein in das warme Bett und richtig
ausschlafen.
Wo war denn jetzt bloß der dusselige Schlüssel.
Linke Hosentasche. Nein
In der Jacke ? Nein
Ah, vielleicht in der Innentasche ? Nein
Das konnte doch nicht wahr sein. Ich hatte in der
Hektik des Aufbruches vergessen, meinen Haustürschlüssel
einzustecken.
Nein, bitte nicht.
Doch.
Mist.
Die Situation war steigerungsfähig.
Brühwarm fiel mir ein,
das ich aus Gründen des Diebstahlschutzes mein Handy
auch nicht mitgenommen hatte.
Drei Uhr morgens, das nächste menschliche Leben
Kilometerweit weg, ein Alkoholpegel der für drei bis vier
schöne Abende hätte sorgen können und ein Bett, was
unerreichbar schien.
Was sollte ich machen?
Tür aufbrechen ?
Unmöglich, schwere Sicherheitstür mit zwei Schließzylindern.
Hoftür ????
JAHAHAHA
Die Hoftür.
Die Hoftür.
Oh nein. Zu.
Das hieß nicht nur, kein Entree sondern..... Caro....
Aber das war jetzt erst mal sekundär .
Ich wollte ins Bett, ins schöne kuschelige, warme Bett.
Alle Fenster unten herum verschlossen, so wie es sich für den
sicherheitsbewussten Menschen gehört.

Das Schlafzimmerfenster !!!
Genau, ich hatte das Schlafzimmerfenster zum lüften auf
Spalt stehen lassen. Das war die Chance.
Die Leiter lag auf dem Garagendach.
Nur, das Schlafzimmerfenster befand sich auf der anderen
Hausseite, dort wo direkt die schlammige Wiese angrenzte.
Also Leiter geschnappt und los.
Nein, das hatte keinen Sinn.
Immer wenn ich versuchte, die Leiter hoch zu stellen,
rutsche sie im weichen Boden weg oder sank metertief ein.
Irgendwie realisierte mein Kopf noch, das das zu gefährlich
werden könnte.
Also Leiter wieder nach vorne.
Hier war der Weg gepflastert, hier konnte die Leiter weder
einsinken noch seitlich wegrutschen.
Also los, nur die mutigen kommen ins Bett.
Noch zwei Stufen..
Und jetzt hoch auf das Dach.
Bäuchlings robbte ich auf den Dachpfannen.
Nur nicht ausrutschen, nur nicht nach unten sehen.
Ja, noch ein Meter, dann hatte ich den Dachfirst erreicht.
Noch einen halben Meter, Ja.
Geschafft, erst mal eine kurze Pause.
Wie ein Wetterhahn hockte ich, ein Bein links, ein Bein rechts
runter baumelnd lassen auf den Firstpfannen.
Der Reinheitsstatus meiner Hose war mir in diesem
Augenblick egal.
Von weitem näherte sich ein LKW.
Um diese Zeit ?
Egal, wenn der mich hier oben sehen würde ?
Was würde der denken ?
Einbrecher ? Wahnssinniger ? Selbstmörder ?
Wie lange würde es dauern bis die Polizei auf der Matte stand?
Ich wollte ins Bett und nicht in die Zelle.
Also ducken und hoffen, das er mich nicht entdeckt.
Warum muss der denn jetzt das Fernlicht anmachen?
Mach das verdammte Fernlicht aus.
Mach das Licht aus.... Ja, so ist es besser.
Wrummmmm. Vorbei.
Puh, Glück gehabt, er hat mich wohl nicht gesehen.
Von weitem näherte sich der nächste LKW.
Ich musste weiter. Pause war beendet.
Also bäuchlings auf der anderen Seite wieder runter.
Täuschte ich mich, oder war diese Seite des Daches wesentlich
rutschiger?
Nur nicht abrutschen. Nur nicht abrutschen.
Aus dieser Perspektive hatte ich mein Dach noch nie zuvor
gesehen, sonst wäre mir die Anhäufung des Taubenkotes in
dem sich meine Körper gerade befand schon vorher
aufgefallen.
So eine Schei.....
Nein.... ich rutsche......
Ratsch, das war die Hose....
Pack..... Gott sei Dank, die Dachrinne.
Mit beiden Füßen stand ich in der Dachrinne.
Der Taubenkot hatte sich durch meine Jacke und mein Hemd
bis auf meine Haut vorgearbeitet.
Aber ich war nicht abgestürzt.
Direkt vor mir das auf Spalt offen stehende
Schlafzimmerfenster. Nur noch einen Schritt und
mein Bett würde eine Füllung bekommen.
Nein, HALT, nicht....NEIN
Nur nicht wegrutschen..
Die Dachrinne gab nach.
Meine Hände versuchten krampfhaft Halt zu finden.
Aber der Taubenkot wirkte wie ein Gleitmittel.
So kurz vorm Ziel und jetzt musste ich sterben?
Mein linker Fuß versuchte sich zwischen die Dachziegel
zu schieben.
Flatsch, landete der erste Ziegel unter mir im matschigen
Rasen.
Egal, dafür war jetzt ein Loch da, in das ich meine Fuß stellen
konnte. Mein Fuß kämpfte mit leichten
Koordinationsproblemen.
Flatsch, flatsch, noch zwei Dachziegel landeten sicher.
Aber jetzt hatte ich es geschafft.
Mein Fuß hatte die Plastikfolie, die sich unter den Dachziegeln
befand, durchstoßen und stand einen halben Meter tief in
Isolierwolle.
Aber ich stand.
Die Glaswolle schob sich unter meiner Jeans hoch,
bis oberhalb meiner Oberschenkel.
Es fing an zu jucken wie Teufel.
Meine Hände konnten schon den Fensterunterrahmen fassen.
Da, plötzlich tauchte ein riesiger Schatten im Fenster auf.
Panikartig zog ich meine Hände zurück.
Das Fenster öffnete sich ganz
Mein Oberkörper wich ruckartig nach hinten aus.
Ich war kurz davor, das Gleichgewicht zu verlieren und
Rücklings abzustürzen.
Aus dem Fenster sah mich mit ihren rehbraunen Augen Caro
an
und schien mir zu sagen
Menschen sind doch komische Wesen, immer wenn ich auch
nur ein klein wenig im Schlamm buddel, schimpf Papa und
jetzt suhlt er selber im Dreck.

Mit letzter Mühe schaffte ich es, meinen Oberkörper wieder
Richtung Dachziegel zu bringen.
Ich griff den Fensterrahmen und zog mich durch das Fenster.
Gerettet.
Caro fing an, mir den Taubenmist von der Hose zu schlecken.
Ich schickte sie auf das Sofa, entledigte mich meiner Sachen,
taumelte unter die Dusche und ging schlafen.

Als ich am nächsten Mittag aufwachte, hielt ich das ganze
Geschehen für einen schlechten, aber spannenden Traum.
Mein Realitätssinn nahm neue Formen an, als ich meine
beschis.... und zerrissene Hose in der Wäsche fand.

„und warum hasste dann den Ersatzschlüssel nicht benutzt,
den wir extra für solche Fälle mal versteckt haben?"

Das Telefonat am spätem Nachmittag mit meiner Ex lies mich
Vollendens an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln.









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