Single Börse Kapitel 29







Rollenzwänge

Die Käufer für mein altes Möfchen standen vor der Tür.

„Oh, ist der aber groß, beist der ?"

Immer das gleiche, wenn fremde Leute Caro zum erstenmal
sahen. Sicher, sie hatte mittlerweile, da sie nun mit fast
anderthalb Jahren ausgewachsen war, eine stattliche Größe
erreicht. Aber diese Frage nach der Beißerei nervte allmählich.
Gab es denn nur noch Hunde die beißwütige Bestien waren?

Was war mit den ganzen Rettungshunden, den Blindenhunden,
allen Hunden, die nie in ihrem Leben auffällig wurden und
ihrem Herrchen oder Frauchen ein Leben lang ein treuer
Begleiter waren?
Hatte diese unglückselige Kampfhundediskussion
alle Hunde in die Rolle der Bestie gedrückt?

„Nein, die ist zwar groß aber total lieb."

Obwohl ich es meinem Mädchen nicht übel genommen hätte,
solchen engstirnig beeinflussten manchmal die Zähne zu
zeigen.

„Na komm mein Mädchen, rein ins Haus, bin gleich wieder
da.
Also, hier ist das Schätzchen."

Aus den Anfängen meiner Motorradfahrerlaufbahn,
die noch gar nicht allzu lange zurück lag, stand noch mein alte
Hundertfünfundzwanziger angemeldet in der Garage rum.

Alle Motorradfahrer mögen mir verzeihen das als Motorrad zu
bezeichnen.
Der korrekte Name war wohl eher Fahrrad mit Hilfsantrieb.
Das sehe ich ja heutzutage selber so.
Und besagtes, der Einfachheit halber Möfchen genannte
Vehikel wollte ich nun an den Mann, besser an die Frau
bringen.

„Kann ich mich den da mal drauf setzen?"

Oh, Oh, Oh, gute Frau, wie willst Du den sonst feststellen ob
Du damit klarkommst.
Mir schwante arges.

„Also, ich fahr ja schon über zwanzig Jahre lang
Rennmotorräder und jetzt dachte ich, es wäre toll,
wenn meine Frau mich auf meinen Touren begleiten könnte.
Deshalb habe ich Sie vor einem halben Jahr den
Führerschein machen lassen."

Zwanzig Jahre Rennmaschinen, und jetzt soll sein Frauchen
auf einer Hundertfünfundzwanziger hinterhertuckeln ?
Das konnte nicht gut gehen.
Ehekrise ick seh dir kommen.
Aber eigentlich sollte es mir doch egal sein. Hauptsache ich
würde noch gutes Geld für mein Möfchen bekommen.

Frauchen unterbrachmich in meinen Gedanken...
„Ich habe mir meinen Helm mitgebracht, darf ich mal eine
Runde Probe fahren?"

„Klar, kein Problem,
ich hol nur mal eben die Papiere, ist besser wenn Sie die mit
sich führen. Hier fährt immer verdammt viel Polizei durch die
Gegend."

„Ich will doch nur mal kurz die Strasse rauf und runter."

„So hier sind sie, ist besser so."

„Wie geht den der Ständer hoch?"

Jetzt wurde es lustig.
Das man erst schauen muss wo die Hupe ist, gut das könnte
man vielleicht verstehen. Aber wie der Ständer hochgeht beim
Motorrad.

Gott hilf.

„Schatzi, hilf mir doch mal, wie geht das denn hier"

Verzweifelt drückte sie den Anlasserknopf.
Mädchen, Du musst erst den Zündschlüssel umdrehen ging es
mir durch den Kopf.
Und außerdem wäre es von Vorteil, wenn Du den Leerlauf
einlegen würdest.
Ich war mir in diesem Moment nicht mehr sicher ob ich mein
liebes altes Möfchen wirklich dieser Frau überlassen sollte.
Hat nicht auch eine solche Maschine das Recht auf Liebe??

„Ach Süße, das hast Du doch alles in der Fahrschule schon
gemacht, sieh mal das ist doch gar nicht so schwer.
Zuerst mal den Leerlauf rein, dann hier, siehst Du, den
Zündschlüssel umdrehen und „

Starten,
Starten wäre in der chronologischen Reihenfolge als nächstes
dran gewesen,
kam aber nicht.
Süße hielt den abgebrochenen Zündschlüssel in der Hand.

„Aber Süße, ich habe Dir doch schon hundert mal gesagt,
nicht so feste, nur bis die grüne Lampe da brennt,
nicht durchdrehen"

Süße hatte den Zündschlüssel bis an den rechten Anschlag
gedreht und dann ruckartig weiter nach rechts.
Wollte Süße das Motorrad anwerfen ?

Süße war den Tränen nah.

„ Ach komm mein Schatz, das kriegen wir schon wieder hin"


Wau, der hatte aber Geduld mit Süße.

„Haben Sie irgendwo eine Zange, damit wir die Reste da
wieder rausholen können? Ich mach das schon, und den
Schlüssel ersetzen wir Ihnen selbstverständlich auch.
Auch wenn wir die Maschinen nicht nehmen.

Na, da geh ich ja mal von aus.
Nach einer halben Stunde war der Schlüssel wieder draußen.
Studio konnte ich heute wohl vergessen wenn das so weiter
ging.
Und es ging so weiter.

„So meine Süße, jetzt noch mal und ganz ruhig,
Du kannst das doch. Schlüssel rumdrehen,
genau, nicht weiter, nur bis hier hin, siehst Du die grüne
Lampe leuchtet, und jetzt den Anlasserknopf... ach ich sehe
gerade, die hat keinen automatischen Choke, dann musst Du
hier erst den Hebel, ja, so ein wenig zu Dir, Halt, nicht soviel,
ja, genau so"

Er hatte gerade noch verhindern können das Süße das
Motorrad mit dem Choke anwarf.
Mit leichtem Widerwillen nahm der Motor vom Möfchen seine
Arbeit auf.
Werte er sich von Süße gefahren zu werden ???


„Siehste, geht doch. Nun noch den Gang rein und dann ganz
langsam den Kupplungshebel kommen lassen."

Irgend jemand hätte Süße beibringen sollen das es das
Getriebe lieber sah, wenn man vor dem Einlegen des Ganges
die Kupplung zog.

Krchhchchchtssss. Klack Aus
Süße hatte Möfchen gnadenlos totgewürgt.
Ich bekam Angst um Möfchens Leben.

„Komm mein Schatz, ist nicht so schlimm, lass mich mal
drauf, ich denke ich fahre besser mal."

Die Geschichte schien eine positive Wendung zu nehmen.
Der Rennsportler übernahm das Kommando.
Süße stand in der Ecke und heulte.
„Wo komme ich denn dahin, wenn ich die Straße da weiter
runterfahre?"

„Nach ca. 3 Kilometern kommt ein Industriegebiet, da ist
dann eine größere Ampelanlage, da kann man ganz gut
drehen."

Rennfahrer gab Gas und Klack, war die Maschine aus.
Es ist schon ein Unterschied ob man Hunderte von
Pferdestärken durch die Gegen scheucht oder die für
hundertfünfundzwanziger zugelassenen elf.
Rennfahrer ging die Sache noch mal mit Bedacht an und
schlich davon.
Süße stand in der Ecke und trocknete sich die Tränen.

„Und was haben Sie für ein Gefühl, so vom sitzen her?"

Was sollte ich denn sonst fragen, alles andere wäre nur
peinlich.

„Ja das ist schön, die Sitzbank ist so schön breit,
und mit der Höhe, das ist auch ok.
Da komme ich wenigstens mit beiden Beinen auf den Boden.
Ist an dem Preis noch was zu machen den Sie uns genannt
hatten?"

„Ne, tut mir leid, soviel will ich schon noch dafür haben. Ist
schließlich fast nagelneu. Und dreitausend Kilometer ist doch
so gut wie gar nichts. Ich glaube, das ist genau die richtige
Maschine für Sie"

(Heuchel)

„Ich weis nicht, ob ich das wirklich will, Motorrad fahren
macht mir eigentlich überhaupt keinen Spaß. Das ist doch
auch so gefährlich, man liest doch immer wieder von den
Motorradfahrern, die sich tot gefahren haben, da habe ich
unheimliche Angst vor."

„Ja, gefährlicher als Autofahren schon, man ist ja viel
ungeschützter, aber wenn man ein wenig vorrausschauend
und angepasst fährt, ist das auch nicht so gefährlich."

„Na, ich weiß nicht, ich habe immer Angst davor gehabt und
eigentlich wollte ich ja auch gar nicht den Führerschein
machen, aber mein Mann wollte es und dann hab ich ihn halt
gemacht."

„Ah, da kommt er ja wieder, na dann wollen wir doch mal
sehen, was er sagt."

„Ja, ist ganz ok, könnte zwar ein paar Pferdestärken mehr
haben, aber ich denke für Dich reicht das, was meinst Du
Süße? „

Wie konnte Süße denn überhaupt eine Meinung haben?
Sie hatte ja gerade mal fünf Minuten auf der Maschine
gesessen,
Sie hatte sie ja noch nicht einmal angehabt.

„Ich find sie toll, ich denke, wir nehmen die.
Machst Du mit dem Herren alles klar? Ich setzt mich schon
mal ins Auto."

Süße standen die Tränen in den Augen ??????


„Mach das, wenn Du willst kannst Du aber schon mit dem
Wagen nach Hause fahren. Ich hol nur noch eben meine
Motorradklamotten aus dem Wagen. Ich komm dann nach
wenn ich fertig bin. Fahr ruhig schon mal."

Süße verabschiedete sich. Er nahm eine Motorradjacke aus
dem Wagen, besprach noch irgendetwas mit Süße, dann fuhr
Süße.
Süße tat mir leid.

Der Vertrag war relativ schnell geschrieben.
Die Formalitäten ums Ummelden geklärt und ich bekam das
Geld, welches ich mir vorgestellt hatte.
Er fuhr mit dem Möfchen Süße hinterher.

Was war das ???????

Süße hatte Angst, Lebensangst vor dem Motorradfahren.
Süße hatte keinerlei Freude, keinerlei Spaß am
Motorradfahren.
Süße weinte bei der Kaufentscheidung.
Was hatte er in der Hand, Süße so weit zu bringen.
Den Führerschein zu machen gegen ihren Willen, ein Motorrad
zu kaufen, zu fahren (vielleicht würde sie es ja noch lernern)
gegen ihren Willen????

Warum gab Süße sich auf ?
Wo war ihr Wille, der Wille nein zu sagen.
Nein ich will das nicht,
nein, Motorradfahren macht mir keinen Spass,
nein, Motorradfahren ist mir zu gefährlich, das macht mir
Angst.
Süße spielte eine Rolle, die von ihrem Mann geschrieben
wurde.
Warum ?? Aus Liebe ?

Wieder fand ich eine weitere Antwort auf meine Frage









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